Schriften zum Thema Schembartlauf

▶ Schembartlauf: Marketing im Spätmittelalter
      eine Einordnung ins Faschingsgeschehen Europas

▶ Über die Anfänge des Nürnberger Schembartlaufs
      Vortrag Akademie Friesach 2007

Der Schembartlauf:
wohl eine Marketing-Aktion im Spätmittelalter

Der Schembart in Nürnberg lief nur die verblüffend kurze Zeit von 90 Jahren lang. Recht wenig für eine Tradition. Aber warum gab es nur in Nürnberg diesen Brauch? Warum ist er etwas Besonderes? Wie ist er einzuordnen im Faschingstreiben Europas?

Horst Kaufmann im Februar 2024
▶ PDF-Download

Wohl in allen Kulturen unserer Welt kennen wir seit jeher Festtagsbräuche, Volksfeste und Volkstanz. Dies lief üblicherweise gesittet ab. Doch es ist auch überliefert, dass Menschen gelegentlich mehr Freiheit und mehr Freiraum benötigen, damit das gesellschaftliche Miteinander gut funktioniert: “Närrische Tage“.  Tage, an denen die Menschen alles “auf den Kopf” stellen durften.

Überliefert aus dem antiken Griechenland sind die Anthesterien und aus dem alten Rom die Saturnalien. Da wurde der Diener für kurze Zeit zum Herren und der Bettler zum Bischof. Da wurde schon vor Urzeiten ganz offiziell extrem getrunken und gefressen [1]. Alles höchst ungesittet.

Die sogenannten „karnevalesken Elemente” sind Verkleidung, Maskierung, Respektlosigkeit, Spott und Völlerei und Maßlosigkeit in allem Körperlichen. Die karnevalesken Elemente sind das Gegenteil der staatlichen und kirchlichen Ordnung.

Die frühe christliche Kirche kanalisierte dann dieses unsittliche Treiben und etablierte die  „Faschingszeit“  –  die Tage vor der Oster-Fastenzeit. So wurden Faschings-Sonntag bis Faschings-Dienstag die amtlich definierten Tage der Narren.

Man erlaubte da dem Volk einmal im Jahr ganz offiziell für kurze Zeit “die Welt auf den Kopf zu stellen”. Die alte Kirche ließ dies zu und förderte die Freizügigkeit sogar – unter der Bedingung, dass am Aschermittwoch „alles wieder seine Ordnung hat“.

In Nürnberg im ausgehenden Mittelalter gab es auch diverse Volksbelustigungen. Der Rat erlaubte – streng reglementiert – Schützenfeste, Pferderennen, Schachturniere und mehr [6]. Die Handwerker führten Tänze auf. Alles recht kontrolliert und gesittet. Über die „Stränge schlagen“ durfte man kaum, auch nicht in den Faschingstagen. Die „Fastnachtsspiele“ allerdings, in erster Linie von Hans Rosenplüt, waren da frecher. Ging es doch oft derb-obszön um Sexuelles, Ehebruch und Betrug [2].

Unter diesen strengen Bedingungen war die Erlaubnis, sich ab ca. 1400 beim Tanz auf der Straße maskieren zu dürfen, für die Metzger und Messerer etwas ganz besonderes. [3]

Das erregte wohl den Neid der reichen Bürger Nürnbergs, die allerdings Händler und keine Handwerker waren. Bis 1449 schafften sie es, am Privileg der Vermummung teilzuhaben. Sie bildeten zunächst eine Schutztruppe für den Zämer-Tanz und zahlten den Metzgern dafür viel Geld. Sie dominierten dann im Lauf der Zeit mit ihren Kostümen, Masken und Lanzen die ganze Veranstaltung: Der Schembartlauf war entstanden. [4]

Der Nürnberger Rat gab die Erlaubnis zur Aufführung – und verfolgte wohl durchaus Eigeninteressen damit. War das doch eine Attraktion, die Nürnberg weithin populär machte und den Handelsbeziehungen der Nürnberger Geschäftsleute sehr zugute kam. Die immer prächtiger werdende Kostümierung der Schembartläufer zeigt deutlich, wie viel Geld man bereit war, in diese „Werbe-Veranstaltung“ zu investieren.

Dem Volk hat es natürlich gefallen. Die dargestellten „karnevalesken Elemente“ machten den besonderen Reiz aus. Die Akteure konnten unter der Maske unerkannt und ungestraft „rotzfrech sein“. Mit der „Heel“, dem Karnevalswagen, adressierte man gesellschaftliche Themen und übte später auch Kritik an politischen und kirchlichen Zuständen. Siehe „Ablasskrämer“. 
Der Schembartlauf kombinierte Elemente aus dem Handwerkerbrauchtum mit uraltem Faschingstreiben aus ganz Europa. Mit der „Heel“ kam ein vielleicht neues Element hinzu, das dann sehr viel später im Fasching im Rheinland wieder eine wichtige Rolle spielten sollte.

Doch in Nürnberg kam mit der Reformation im Jahre 1539 auch das Ende des Schembartlaufs. Die „neue“ Kirche war dagegen, der Nürnberger Rat konnte aus politischen Gründen keine Erlaubnis mehr geben und die Finanzierung durch die Händler Nürnbergs war ab nun auch nicht mehr opportun.

Ungeachtet dessen gab es in Nürnberg weiterhin Festveranstaltungen. Gesellenstechen, Schützenfeste, etc. Auch schrieb Hans Sachs weiterhin Fasnachtsspiele, durchaus derb, aber im Geiste der Reformation. Die rohen und unsittlichen „karnevalesken Elemente“, die die närrischen Tage im Kern ja ausmachten, die fehlten anscheinend fortan in Nürnberg. Und das möglicherweise fast bis heute. Allerdings erinnerten sich viele betuchte Nürnberger Bürger fortan gerne mit Hilfe der Schembart-Bücher, die nun recht in Mode kamen, an die gute alte Zeit des Schembartlaufens.

In anderen Teilen Deutschlands, vornehmlich in den katholischen Gebieten, wurde aber auch im 17. und 18. Jahrhundert durchaus Fasching oder Karneval gefeiert. Vor allem in Wirtshäusern ging es – so wird berichtet – in vielen Städten recht deftig zu. [5] Auch die schwäbisch allemannische Fasnacht zeigte Vermummung und närrisches Treiben – hier im Rahmen von Veranstaltungen, die vom Volk getragen wurden.

Im französisch besetzten Rheinland – sprich Köln – war ebenfalls viel vom traditionellen Karnevaltreiben verboten. Dann, nachdem die Besatzer abgezogen waren, etablierte man ab 1823 in Köln, danach in weiteren Städten, wohlorganisierte Karnevals-Gesellschaften sowie große Umzüge mit Karnevalswagen. Spott-Thema war in erster Linie das französische Militär.

Das Treiben war von vornherein kommerzialisiert. Verkleidung, Vermummung, Spott und Saufen finden wieder einen Rahmen. Die Karnevalswagen greifen bis heute politische Themen auf. Alles eigentlich wie 300 Jahre vorher in Nürnberg – nun aber auf einer ganz anderen historischen und gesellschaftlichen Basis. Auch wenn viele Elemente im Rheinland und in Nürnberg ähnlich sind, hat man dort den Schembartlauf 1823 wohl nicht als Vorlage gesehen.

In diesen 300 Jahren bis 1823 gab es im protestantischen Nürnberg sicherlich Feste und Volksfeste. Nur das Faschingstreiben blieb wohl sehr beschränkt. Nach 1900 gründeten sich dann auch in Nürnberg Karnevalsgesellschaften. Sie hatten als Vorbild den Rheinischen Karneval – der Schembartlauf spielte dabei wohl keine Rolle.

AK 04, Schwanenritter, NCN, Luftflotte und weitere etablierten ein neues, wenn auch bescheidenes Faschingsleben in Nürnberg. Die Bevölkerung ging – immer noch tief evangelisch geprägt – nicht wirklich mit. Einen Fasnachtszug gab es wohl erst später.

Unabhängig davon gab es anscheinend 1928 und 1936 jeweils einen Schembartlauf. 1965 lief man auch, anlässlich des anstehenden Dürer-Jahres. Schließlich ist es der Nürnberger Werbefachmann Franz Grimme, ein Mitglied im Fasnachtsausschuss Nürnberg, der ab 1973 die Idee verfolgt, dem Schembart Lauf in Nürnberg wieder eine „wohl organisierte“ Grundlage zu geben, damit dieser nicht ganz in Vergessenheit gerät.

Grimme will eine Gesellschaft gründen, die sich um eine regelmäßige Aufführung des Schembartlaufs kümmert.  Er findet 1973-1974 Gleichgesinnte in Nürnberg. Er wirbt in Politik, Wirtschaft und Tourismus um Unterstützung und gründet 1974 – unter Teilnahme des damaligen Nürnberger Oberbürgermeisters Dr. Urschlechter – die neue Schembart Gesellschaft Nürnberg.

Die erste Veranstaltung mit Schembart-Lauf findet ein Jahr später im Juni 1975 unter großem Presse-Echo im Nürnberger Handwerkerhof statt. Interessanter Weise losgelöst von der Faschingszeit mitten im Sommer. Ähnlich wie 475 Jahre zuvor ist der Lauf nun wieder eine Werbeveranstaltung für Nürnberg. Hans Sachs, der seinerzeit gut aus dem Fernsehen bekannte Nürnberger Oberstaatsanwalt, wird zum Ehrenhauptmann der Schembartläufer ernannt.

In der Folge wird der Schembartlauf recht oft gezeigt – sommers wie winters.
Einen Faschingszug gibt es in Nürnberg anfangs immer noch nicht – oder nur selten.

Zum Faschings-Wochenende sind die Schembartläufer in den 70er Jahren an verschiedenen Stellen in der Stadt unterwegs. 1978 wird der Schembartlauf sogar auf einer Messe in Acapulco in Mexico gezeigt, denn die Tourismus-Branche sieht Potenzial in dieser Tradition.

Die Etablierung eines Faschingszugs in Nürnberg gestaltet sich schwierig. Die Schembartläufer sind, so gut es geht, mit dabei. In den 80er und 90er Jahren wird der Schembartlauf nur hin und wieder – also gelegentlich aufgeführt. Agnes Graf-Then, Vorsitzende in der Gesellschaft, baut Mitte der 2000er-Jahren eine zuverlässige Läufer-Truppe auf. Immer wenn in Nürnberg ein Zug läuft, sind die Schembartläufer gerne mit dabei.

Schwung bekommt die Situation dann 2009. Denn in einem Presse-Interview mit der DPA beklagt Horst Kaufmann als 2. Vorsitzender der Schembart Gesellschaft, dass man in Nürnberg, speziell beim Fasnachtszug, „die Bedeutung des historischen Schembartlaufs wohl nicht so wirklich erkannt“ hat.

Die Presse-Resonanz ist enorm: Das Thema erscheint in Artikeln in den Zeitungen vieler Städte in Deutschland – gedruckt wie auch online.  Nicht zuletzt titelt die Bild am Sonntag sehr zugespitzt: „Narrenzoff in Nürnberg“.

Diese weitreichende Aufmerksamkeit gibt dem Schembartlauf einen Schub. Sie führt in Nürnberg zu klärenden Gesprächen zwischen den Organisatoren und seither ist der Schembartlauf im Nürnberger Fasnachts-Zug fest verankert.

Die heutigen Akteure in der Schembart Gesellschaft nehmen den historischen Bezug wieder sehr ernst. Der Lauf wird nur in Nürnberg und nur zur Faschingszeit aufgeführt. Er führt jährlich den Fasnachtszug an. Auf möglichst vielen modernen Kanälen informiert die Gesellschaft darüber hinaus über den historischen Hintergrund des Schembartlaufs und pflegt außerdem Musik und Tanz aus der Nürnberger Glanzzeit in der Renaissance.

2024 feiert die neue Schembart Gesellschaft ihr 50-jähriges Jubiläum. Ein willkommener Anlass, die Einzigartigkeit und die große historische Bedeutung des historischen Schembartlaufs in Nürnberg und darüber hinaus weiter bekannt zu machen.

[1] Ruprecht Ziegler, Antike Feste mit karnevalesken Zügen, Vortrag aus „Beiträge der Akademie Friesach“, 9.-11. Nov 2007 Seite 39
[2] Klaus Ridder, Das Nürnberger Fastnachtsspiel, Vortrag aus „Beiträge der Akademie Friesach“, 9.-11. Nov 2007 Seite 123
[3] „Der Sage nach“. Eine verlässliche Quelle ist dem Autor nicht bekannt
[4] Horst Kaufmann, Über die Anfänge des Nürnberger Schembartlaufs, Vortrag aus „Beiträge der Akademie Friesach“, 9.-11. Nov 2007 Seite 111
[5] Video Narrenrepublik Deutschland, ZDF-History, 11.2.2018
[6] Hans-Ulrich Roller, Der Nürnberger Schembartlauf, Volksleben Verlag, 1965

Impressum

Schembart-Gesellschaft Nürnberg e. V.

Tel: 0911-40 88 298
info@schembart.de

Registergericht: Amtsgericht Nürnberg
Registernummer: VR1682
Verantwortlicher i.S.d. § 55 Abs. 2 RStV:
Horst Kaufmann – hk@schembart.de

1. Vorsitzende, Tanzleitung
Agnes Graf-Then
Heuweg 25 – 91560 Heilsbronn
Tel 09872 – 97 60 937
agnes@schembart.de
2. Vorsitzender, Musik
Horst Kaufmann
Juttastraße 14 – 90480 Nürnberg
Tel 0911 – 40 88 298
hk@schembart.de

Diese Website erfasst keine
personenbezogenen Daten.
Für Inhalte von externen Webseiten ist
ausschließlich der jeweilige Anbieter
verantwortlich.
Die Inhalte und Werke auf dieser
Website unterliegen dem deutschen
Urheberrecht.

409 407 402 397 221 213